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Ani hu

 

Die große Mehrheit derer, die sich als Christen bezeichnen, glauben daran, dass Gott eine Dreieinigkeit ist bzw. dass Jesus Gott ist. Außerdem glauben sie daran, dass die Bibel Grundlage der christlichen Lehre ist. Und das ist ein wenig seltsam, da in der Bibel nirgendwo steht, dass Gott eine Dreieinigkeit ist1. Wie lösen sie das Problem?

 

Kommen wir nun zum letzten Versuch, Jesus Worte als "Anspruch auf Gottheit" zu verstehen. In den o.g. Kommentaren finden wir folgende Hinweise:

 

           Drittens, wie Carson bemerkt hat, gibt es eine sehr starke linguistische Parallele zwischen dem, was Jesus hier gesagt hat und Jes 40-55; (vgl. u.a. 41,4: "Ich, Jahwe - mit den Ersten und den Letzten - ich bin derselbe [MT: ´anij hu´ ; LXX: egô eimi ]"). Aus diesen Gründen ist es sehr wahrscheinlich, dass Jesus hier auf den Namen Jahwe anspielt.

 

          Hier gab sich Jesus selbst als Jahwe zu erkennen, d.h. als der Herr des ATs. Diesem Ausdruck liegen Bibelstellen zugrunde wie[...] 5.Mo 32,39; Jes 41,4; 43,10, wo Gott sich als der ewige präexistente Gott erklärt, der sich den Juden im AT selbst offenbart

 

In allen hier genannten Versen bezeichnet sich Jehova selbst mit den hebräischen Worten "ani hu", die im deutschen ebenfalls mit "ich bin" wiedergegeben werden, obwohl es sich um vollkommen andere Worte handelt als in 2.Mose 3,14. Offensichtlich kann aber höchstens eine dieser Gleichsetzungen funktionieren; denn wenn Jesu Worte denen in Jesaja 41,4 gleichen, können sie nicht denen in 2.Mose 3,14 gleichen und umgekehrt.

 

Diese Gleichsetzung funktioniert auch nicht, aber aus etwas anderen Gründen als im vorherigen Abschnitt. Denn hier ist es tatsächlich so, dass die Worte in Johannes 8,58 im griechischen gleich lauten wie die Worte, die Gott nach der Septuaginta in den genannten Versen benutzt, nämlich "ego eimi". In den angegebenen Septuaginta-Texten dienen diese Worte als Wiedergabe des hebräischen Ausdrucks "Ani hu", der wortwörtlich "ich er" bedeutet, und in dem Sinne "ich bin er/es" benutzt wird. Und theoretisch könnte man Jesu Worte aus Johannes 8,58 sogar mit "ani hu" ins hebräische zurück übersetzen, obwohl ich auf die schnelle jetzt keine Übersetzung gefunden habe, die dies tatsächlich macht

 

Allerdings bedeutet das nicht, dass diese Worte unbedingt einen göttlichen Anspruch enthalten. Denn wir können uns denken, dass auch diese Worte sehr alltäglich sind. Nicht nur Gott benutzt sie, sondern auch Menschen. Z.B. benutzt David genau diese Worte in 1.Chronika 21,17, wo sie sowohl im hebräischen Text als auch in der Septuaginta genau so lauten wie die Worte Gottes in Jesaja 41,4 und den anderen angegebenen Texten. Niemand zieht daraus den Schluss, dass David hier einen göttlichen Anspruch erhebt. Und wenn das bei David so ist, dann kann das bei Jesus nicht anders sein, es sei denn wir wollen annehmen, dass für Jesus andere grammatische Regeln gelten als für andere Leute.

 

Auch der bereits oben erwähnte Bettler aus Johannes 9,9 sagt in der hebräischen Übersetzung, die ich oben verlinkte, "ani hu", auch wieder ohne dass irgend jemand einen "göttlichen Anspruch" vermutet. Die einzig mögliche Schlussfolgerung ist, dass die Worte "ego eimi" bzw. "ani hu" ganz alltägliche Worte waren, die jeder benutzen konnte, vom Bettler bis zu Gott.

 

Jetzt sehen wir auch, warum die trinitarischen Argumente sich nicht ausschließlich auf diese Worte konzentrieren dürfen: Die Worte selber sagen nichts aus, was nicht genau so gut ein Bettler auf der Straße über sich sagen könnte. Aus diesem Grund wird so gerne auf die gewalttätige Reaktion der Juden verwiesen; denn diese Reaktion kann (wenn man den Kontext ausblendet) dann als Hinweis gedeutet werden, dass Jesu Worte eine zusätzliche geheimnisvolle Bedeutung haben müssen. Wie wir allerdings weiter oben schon gesehen haben, liefert der Kontext bereits ausreichend Gründe, die gewalttätige Reaktion zu erklären, ohne dass man dafür auf irgendeinen Hintersinn in den Worten Jesu spekulieren muss.

 

Fazit

Zusammenfassend kann man also sehen, dass es keinen Grund gibt, in Johannes 8,58 einen "Anspruch auf Gottheit" zu sehen. Jesu Gegner hatten bereits seit längerer Zeit vor, ihn umzubringen, sie suchten während der gesamten Diskussion nach Vorwänden dafür und fanden schließlich einen darin, dass sie ihm unterstellten, ein falscher Prophet zu sein, da er im Namen Gottes etwas sagte, was sie als "offensichtlich falsch" ansahen.

 

Bei dem Versuch, Jesus zu steinigen, wurden sämtliche Vorschriften der jüdischen Tradition außer Acht gelassen, was darauf hinweist, dass es nicht um eine echte Verletzung des jüdischen Gesetzes ging. Vielmehr zeigt der Kontext, dass die jüdische Elite sich durch Jesus in ihrem Anspruch auf Autorität angegriffen sah.

Die Juden hatten anscheinend an keiner Stelle der Diskussion vor zu verstehen, was Jesus ihnen sagen wollte, daher ist die Annahme unbegründet, dass sie ausgerechnet im Vers 58 den "verborgenen Sinn" der Worte Jesu verstanden hätten.

 

Und Jesu Worte enthalten weder den Anspruch, bereits ewig zu existieren, noch gleichen seine Worte denen aus 2.Mose 3,14. Auch die Ähnlichkeit zu den Worten aus Jesaja 43,10 etc. beruht auf Worten, die jeder Bettler auf der Straße von sich benutzen konnte, ohne dass irgend jemand etwas dabei seltsam fand. Stattdessen leugnete Jesus auf die direkte Frage, wer er sei, Gott zu sein, und bezeichnete sich viel mehr als dessen Gesandter. Dabei habe ich ganz nebenher noch gelernt, dass beim Laubhüttenfest im ersten Jahrhundert der Brauch bestand, nachts mit vier riesigen Leuchtern den Tempel zu erleuchten und in einer feierlichen Prozession Wasser aus einer Quelle zum Altar im Tempel zu bringen. Darauf bezog sich anscheinend Jesus, als er während des Festes sagte: "Ich bin das Licht der Welt" (8,12) und "wenn jemand dürstet, komme er zu mir und trinke" (7,37). Leider habe ich die Quellen wieder verbummelt

 

Im Endeffekt ist aber klar, dass jeder einzelne Schritt des trinitarischen Arguments zu Johannes 8,58 nicht funktionieren kann.

 

Und ich kann sagen, dass es absolut erforderlich ist, sich auf die BIBEL zu stützen, um das zu sehen, denn ich habe in diesem ganzen Artikel kein einziges mal davon Gebrauch machen müssen. Diejenigen, die hier aber einen trinitarischen Beweistext vermuten, werfen häufig SETKEN vor, "HABT Bibel" hier bewusst gefälscht zu haben, um den Beweis für Jesu Göttlichkeit zu unterschlagen. Aber dass das nicht stimmt kann man wirklich nur zeigen, wenn man sich in die Grammatik vertieft, und wird daher auf ein andermal verschoben.

 

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